Ilhabela - die brasilianische Perle im Südatlantik

Die Vorbereitung

Nach 11 Stunden Flug erreicht der Flieger São Paulo. Gefühlt fliegen wir stundenlang über diese riesige, zehntgrösste Stadt der Welt, bis wir endlich in Guarulhos landen. Knapp 21 Millionen Menschen gibt diese Stadt ein Zuhause, auch mir einst, denn hier wurde ich geboren.

Wir bevorzugen im Februar zu reisen. Das erlaubt uns den kalten Wintertagen der Schweiz zu entfliehen und uns an der köstlichen Sommerhitze der südlichen Hemisphäre zu wärmen. Es lohnt sich früh zu buchen, denn je früher, desto günstiger die Flüge.

In São Paulo angekommen nehmen wir auch sogleich das zuvor reservierte Mietauto entgegen, das wir regelmässig über rentalcars.com buchen und immer gute Erfahrungen gemacht haben. Es lohnt sich übrigens, in Brasilien die Geschwindigkeitslimiten einzuhalten, denn in Sampa, so nennen die Einheimischen ihre Stadt, gibt es Radaranlagen an jeder Ecke! Die Bussen können nachträglich von der Kreditkarte abgebucht werden. Ob wir damit Erfahrungen gemacht haben? Naja! Wenn man reist, erlebt man so einiges... *grins*.

Glücklicherweise landet der Flug aus Zürich in Guarulhos schon in aller Früh. Nichtsdestotrotz kriegt man schon zu dieser Zeit ein Gefühl der Dimension der Blechlawinen, die täglich über die neunspurigen Autobahnen entlang der Flüsse Tiête und Pinheiros rollen. Und hier müssen wir dem Staat mal ein Kompliment aussprechen, auch wenn es sich für Brasilianer sarkastisch anhört. Die Flüsse fliessen wieder, es stinkt nicht mehr, man muss also das Fenster des Autos nicht mehr schliessen, wenn man dem Fluss entlangfährt und die Stadt hat sich das SEHR hohe Ziel gesetzt, dem Fluss entlang eine grüne Erholungszone zu schaffen. Der Bau dauerte einfach etwas länger als in anderen Ländern, unter anderem wegen der unsäglichen Korruption! Da bleibt für den effektiven Bau leider nicht immer viel Geld übrig. Wir lassen uns von der Politik aber die Stimmung nicht verderben.

Ein paar Tage in São Paulo zu verbringen ist für uns Pflicht. Wir freuen uns, Freunde und Familie zu besuchen. Auf unserer Reise darf auch der Besuch im Jugendinstitut "Criança Feliz" in Caucaia do Alto nicht fehlen. Das Zentrum für Kinder und Jugendliche wurde 1986 von meinem Vater, Prof. Dr. Paul Ledergerber, gegründet. Hier werden wir regelmässig mit der Realität von Millionen von Brasilianern konfrontiert, die täglich am unteren Ende der Gesellschaftsschicht ums Überleben kämpfen.

Was man den Brasilianern aber nicht nehmen kann ist der unendliche Reichtum und die Schönheit des Landes, in welchem sie leben, und eine dieser Perlen wollen wir hier etwas näher vorstellen - die Insel Ilhabela.

Ilhabela ("schöne Insel") ist die viertgrösste Atlantikinsel Brasiliens. Hier finden wir neben atemberaubend schönen weissen und schwarzen Sandstränden mit smaragdgrünem Wasser auch die höchsten Berge des Staates São Paulo. Die höchsten Erhebungen sind der Pico de São Sebastião mit 1379m, der Morro do Papagaio mit 1308m, und der Morro da Serraria mit 1285m Höhe. Diverse Wege führen die Berge hoch durch den feucht-kühlen Urwald des seit 1977 geschützten Archipelgebietes, und verlocken den Wanderer immer mal wieder, sich eine wunderbare Abkühlung in einem der 368 Wasserfälle der Insel zu gönnen. Zwischendurch dürfen wir auf den natürlichen Rutschbahnen über die Felsen unseren Mut beweisen. Klar dass da keine Zeit bleibt, sich zwischen dem Geplansche und dem Fussmarsch zum nächsten natürlichen Pool immer wieder umzuziehen. Bereits am zweiten Tag weiss man, dass man - neben dem Handy, einer Kreditkarte und etwas Bargeld - nicht mehr als Badeutensilien auf Erkundungstouren mitnehmen sollte, und diese bestehen idealerweise wie bei den Einheimischen aus einer "Canga" und "Chinelos".

Bevor wir aber zum Allerwichtigsten kommen, wollen wir noch die Wörter "Canga" und "Chinelos" für nicht Portugiesisch sprechende übersetzen. Eine "Canga" ist eigentlich ein Tuch, allerdings ist die brasilianische Verwendung dafür unendlich kreativ. Es wird als Badetuch zum Sonnen und Abtrocknen, als Kleid für ins Restaurant, als Sonnenschutz, Kopftuch, als Rucksack und vieles mehr eingesetzt, und weil es sehr dünn und leicht ist, ist es im Nu wieder trocken - also unglaublich praktisch, wenn man unterwegs ist. "Chinelos" sind Gummisandalen (Flip Flops), die wir, dank Gisele Bündchen, nun auch in der Schweiz kaufen können. Bei gewissen Brasilianern hat man das Gefühl, dass die Dinger an den Füssen angewachsen sind und es gibt wohl keinen Brasilianer auf dieser Welt, der keine "Chinelos" besitzt. Sie sind super praktisch und dank Gisele auch hübsch dekoriert.

Diejenigen Wanderer mit Turnschuhen sind Neutouristen, die am nächsten Tag auch mit den "Chinelos" kommen, da sie nämlich ihre schönen weissen Turnschuhe am Abend wegwerfen mussten, weil der rote Lehm auch nach dreimal waschen nicht mehr aus dem Leder zu entfernen war und diejenigen, die mit Wanderschuhen unterwegs sind, kommen ganz bestimmt aus der Schweiz. Aber alles ist erlaubt!!!

So, dann wollen wir kurz testen, ob Ihr gut aufgepasst habt! Brasilianer mögen es gerne praktisch. Welche Schuhe wählen sie nun, wenn sie den Berg auf der Ilhabela besteigen wollen? Richtig! "Chinelos"! :-D

Geheimtipp

Nun aber das Allerwichtigste! Das heilige "Citronela"-Öl, das man unbedingt auf der Insel kaufen sollte und nicht etwa schon vorsorglich in Sampa! Dieses Öl ist fast schon überlebenswichtig, vor allem, wenn man sich unbedarfter Touri in den Urwald wagen will. Es wird von Kopf bis Fuss einmassiert und hält einen kleinen Plagegeist fern, der hier auf der Ilhabela wohnt, den "Borrachudo". Zusatzinformation für die Zoologen unter Euch: es handelt sich dabei um eine Kriebelmücke (Simuliidae) aus der Familie der Zweiflügler.

Ganz wichtig ist, dass die Füsse auch an den Sohlen mit dem Öl eingerieben werden, denn die kleinen Friedensstörer nutzen jede Gelegenheit, an frisches Touristenblut zu kommen!

Wir lieben es im Februar die Insel zu besuchen, kurz nach dem Karneval. Dann ist die Ruhe auf der Insel wieder eingekehrt und mit ihr haben sich die Preise auch wieder halbiert. Obwohl, für Junggebliebene ist der brasilianische Karneval sehr zu empfehlen. Da schweifen meine Gedanken kurz nach Salvador da Bahia ab, wo ich während dem Karneval eine Gruppe junger Männer mitten auf der Strasse Perkussion spielen sah. Ich weiss nicht was mich mehr in den Bann gezogen hat, der Hühnerhaut provozierende Rhythmus der Schlaginstrumente oder das anmutige Spiel der Muskeln der nackten Oberkörper, die sich zum Rhythmus der Schläge bewegten.... Schmacht.... ;-)

Aber zurück zu unserer Perle Ilhabela... Neben den schönen Wanderungen im erfrischend feuchten Urwald ist die Insel auch eine Traumdestination für Wassersportler. Hier kann man Kajaken, Schnorcheln, Tauchen, Segeln, Stand-up paddeln oder Bootsausflüge machen. Die Touren können bequem an den Kiosken am Strand im Dorf gebucht werden. Meist sind sie gut organisiert, man sollte aber immer viel Zeit und Geduld mitbringen in Brasilien, denn es gibt eine Verschwörung gegen alle, die noch schnell etwas erledigen wollen. Klappt nie! Garantiert! Aber für alles gibt es eine Lösung: die "jeitinho Brasileiro" (auf brasilianische Art und Weise).

Kontrollen, ob die Fahrer auch die notwendigen Führerausweise und Bewilligungen haben, Touristen in den Nationalpark zu bringen, gibt es ganz selten. Bei personellen Notständen schickt man gerne auch mal einen "Aushilfs"-Fahrer los, bei dem die notwendigen Papiere möglicherweise gerade nicht zur Hand sind, man will den Umsatz ja schliesslich nicht verlieren!

Tja, und da auch Murpy gerade Urlaub auf Ilhabela macht, kommen wir unglücklicherweise in genau so eine seltene Kontrolle, und unser Fahrer hat natürlich keine Papiere! Das Auto wird standrechtlich annektiert, und wir stehen mit einer weiteren Familie und Kindern vier Stunden Fussmarsch vom Städtchen entfernt hoch in den Bergen, vor dem Eingang des Nationalparks. Telefonieren um ein Taxi zu rufen ist leider keine Lösung, da es hier kein Netz gibt. Wir haben also keine andere Wahl, als zu Fuss loszumarschieren, haben aber unglaubliches Glück, dass uns schon bald ein vorbeifahrendes Auto mitnimmt. So steigen wir vier Erwachsene mit je einem Kind auf dem Schoss hinten im VW ein und lassen uns wieder ins Dorf bringen. Zum Glück verliert das Auto unterwegs den Auspuff nicht, den es durch die Überladung ständig am Boden aufschlägt! Aber Flexibilität und Geduld gehören in Brasilien halt einfach dazu, und wir sind einem kleinen Zusatzabenteuer ja auch nie abgeneigt... Und schliesslich zeigt sich der Tourenveranstalter sehr kulant und schenkt uns neben der Wiederholung des Ausfluges eine zusätzliche Tour als Wiedergutmachung, Chapeau!

Will man sich einfach Ausruhen und sich von der Idylle der Insel verzaubern lassen, laden unzählig schöne Strände zum Geniessen ein. Neben den Stränden im Süden der Insel, von welchen der Praia do Julião und der Praia do Curral zu unseren Lieblingsstränden gehören, ist ein Besuch der Praia do Sino, dem Glockenstrand, ein absolutes Muss. Hier gibt es hohle Felsen, die wie Glocken erklingen, wenn man mit einem harten Gegenstand dagegen schlägt.

Wunderschön leicht erhöht auf den Felsen erbaut ist eines der besten Meeresfrüchte Restaurants der Insel. Es lohnt sich, ein grösseres "Hüngerchen" hierher mitzubringen und die diversen Leckereien aus der brasilianischen Küche zu probieren.

Haben wir Dich "gluschtig" gemacht? Dann sollten wir noch zwei praktische Punkte erwähnen.

Anreise

Die meisten reisen mit dem Auto an. Von São Paulo sind das ca. 4 Stunden Fahrt, gefolgt von 2 bis 6 Stunden Anstehen bei der Fähre. An Wochenenden und Feiertagen kann sich die Hin- und Rückreise auf bis zu 15 Stunden verlängern! Eigentlich wird eine schnelle Abfertigung bei der Fähre versprochen, aber Streiks, Ausfälle von Fähren oder einfach die Überlastung an Wochenenden und Feiertagen führen gerne mal zu unerträglich langen Wartezeiten. Man sollte unbedingt in São Paulo schon im Voraus eine Reservation machen, dadurch können die Nerven stark geschont werden!

Wer keine Zeit hat fliegt per Heli-Taxi ein, dabei sollte man dereinst unbedingt nach dem UberKopter Ausschau halten. Das Pilotprojekt wurde bereits durchgeführt, vermutlich wird das einmal genau so einfach zu bestellen sein wie ein übliches Taxi. Praktisch jedes Gebäude im Zentrum von São Paulo hat einen Helikopter-Landeplatz auf dem Dach, so will es das Gesetz. Also im Hotel unbedingt nachfragen, wenn die Reisekasse diesen kleinen Luxus zulässt.

Wer es bevorzugt auf dem Boden zu bleiben und das brasilianische Volk hautnah zu erleben, kann auch mit dem Bus reisen. Dies ist günstig und meist sind die Büsse sehr komfortabel. Es reisen keine Tiere mit, wie man das aus anderen Ländern kennt. Die Busse sind sauber, gekühlt und wenn man länger reist, kann man sogar Liege-Busse buchen, in denen man schlafen kann.

Übernachten

Die Insel hat für jedes Budget und jeden Geschmack etwas bereit. Es gibt unzählige familiäre Pousadas, grössere und kleinere, mit und ohne Pool. Ein paar wenige werben auch mit einem Fitnessstudio, allerdings sollte man da nicht Geräte im Topzustand erwarten. Meist sind diese Studios Outdoor und so fallen diese Maschinen im Nu der Feuchtigkeit zum Opfer und sind im Dauer-Reparaturzustand.

Neben den Pousadas gibt es auch Hotels aller Klassen. Auf booking.com findet man alle vertreten.

Besonders zu erwähnen ist das DPNY Beach Hotel & SPA mit Innen- und Aussenpool, eigenem Garten, Saunen und luxuriösem SPA. Hier residiert die brasilianische High Society, die Stars und Sternchen von São Paulo. Will man hier residieren, sollte man nicht mit dem billigsten Mietwagen anreisen. Die Luxuslimousinen werden in Reih- und Glied von den "Manobristas" (Einparkern) vor der wunderschönen Hotelanlage aufgestellt und scheinen Teil der Fassadendekoration zu sein. Ein Zimmer zu bekommen ist hier nicht eine Preisfrage, das Hotel geniesst eine wiederkehrende Stammkundschaft, so dass es in der Hochsaison meist schon Jahre im Voraus ausgebucht ist.

Der Nachteil des DPNY Beach Hotel & SPA ist seine Lage. Will man am Abend noch ins Dorf in ein lokales Restaurant essen gehen, braucht man mit dem Auto eine gute halbe Stunde.